Ohne Fehler wäre es praktisch ein Korrekttheater.

Interview mit Chaostheater Oropax
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Promoshot

Bereits seit mehreren Jahren machen die beiden Brüder Thomas und Volker Martins als Chaostheater Oropax die Bühnen unsicher. Wohl keine deutschen Komiker trifft man so oft auf Schweizer Bühnen wie die Chaoten aus Freiburg im Breisgau. Nach einem Auftritt in Langnau im Emmental haben wir mit den Beiden spontan ein Interview geführt.

 

Heute habt ihr in Langnau im Emmental gespielt – war es das erste Mal für euch hier in Langnau?

 

Volker: Ich bin mir gar nicht so sicher. Es gibt doch hier in der Nähe noch einen anderen Ort, der ähnlich heisst, und da waren wir mal mit dem Zirkus.

 

Das müsste Langenthal sein?

 

Volker: Genau, dort waren wir.

 

Thomas: Mit dem Zirkus Ellenbogen waren wir mal in Langnau und in Langenthal mit dem Zirkus Knie.

  

Volker: Auch in Burgdorf waren wir bereits. Das Tal ist uns also schon bekannt. Wir haben auch schon mal von Luzern kommend eine zu lange Pause bei der Biscuitfabrik Kambly in Trubschachen eingelegt.

 

Thomas: Dort haben wir uns verkrümelt.

 

Bereitet ihr euch auch spezifisch auf die Auftrittsorte vor?

 

Volker: Ja, das machen wir. Natürlich auf Orte, die nicht direkt an der Autobahn liegen, wie Langnau umso mehr. Aber verlässt man die Autobahn, fährt man noch lange genug in das Tal hinein. Peinlich war heute Abend jedoch, dass ich dachte, die Emme fliesse hier entlang.

 

Thomas: Als Chaostheater sind solche Fehler jedoch Pflicht. Stell dir vor, wir würden alles richtig machen – dann wäre es ja praktisch ein Korrekttheater und das wollen die Leute ja auch nicht, denn das Leben ist schon korrekt genug.

 

Thomas: Jetzt möchte ich aber auch etwas fragen: Volker, wie ist es mit deinem Bruder auf der Bühne zu stehen?

 

Volker: Das müsstest du ja wissen. Es unterscheidet sich aber schon immer etwas. Wir hatten heute Abend sehr grossen Spass.

 

Thomas: Wir hatten schon Bedenken, ob das Eis im Publikum wirklich schmilzt. Aber da war alles schon geschmolzen und wir mussten gar nicht viel tun und die Stimmung war von vornherein schon sehr gut.

 

Volker: Wir kamen auch sehr knapp zum Auftritt und unsere Techniker sind schon mal vorgefahren und haben alles vorbereitet. Insofern hatten wir einen sehr entspannten Tag. Und jetzt sind wir auch arroganterweise beim Abbau einfach weggelaufen.

 

Thomas: Wir können ja nicht abbauen, denn wir haben bereits während der Show abgebaut. Zudem haben wir ja nun das Interview, weswegen wir nicht schwer schleppen können. Da sitzen wir lieber hier in dem gemütlichen Raum bei Kaffee und Kuchen.

 

Volker: Obwohl wir uns so knapp wie möglich halten und auf unnötige Worte verzichten, vergeht die Zeit einfach so im Interview und es wird wohl dann genau in dem Moment beendet sein, wenn die letzte Kiste eingeladen ist.

 

Thomas: Ich hole noch schnell den Mönch hinzu: «Holloo, holloo, holloo – ich bin oin Mönch!».

 

Volker: Nicht mal beim Interview ist man vor dem Mönch sicher!

 

 

Volker: Wenn wir mit «Chaos Royal» im Kleintheater spielen würden, so müssten wir eine stark reduzierte Form anbieten, weil wir das Bühnenbild gar nicht ins Theater bekommen würden. Irgendwann kommt aber bestimmt auch wieder die Zeit für das Kleintheater.

 

 

Ihr seid sehr viel in der Schweiz. Wie erklärt ihr euch, dass ihr hier so populär seid?

 

Thomas: Also in diesem Jahr haben wir wohl bis jetzt erst rund drei Prozent der Auftritte in der Schweiz gemacht. Wir haben vorher drei Wochen lang täglich, ausser montags, in Berlin gespielt und für unsere Begriffe sind wir nun endlich wieder in der Schweiz und nun auch für längere Zeit.

 

Volker: Ich wohne in Konstanz und Thomas in Freiburg. Natürlich ist die Schweiz noch durch eine Grenze getrennt, jedoch ist die nächste Grossstadt für uns jeweils eine Schweizer Stadt. Zum Glück sind wir somit in der Schweiz ziemlich erfolgreich, denn beispielsweise in Norddeutschland, da kennt man uns nicht. In Süddeutschland kennen uns noch etwas mehr Leute, aber diese nationale Bekanntheit haben wir nur in der Schweiz. Das ist für uns natürlich ein grosser Genuss und eine grosse Freude. Wir machen das nun mittlerweile auch schon sehr lange – seit Mitte der 80er Jahre. Ende der 90er Jahre haben wir dann das erste Mal in der Schweiz gespielt. Das war wohl auch ein wenig unser Glück, da wir zehn Jahre Zeit hatten zu reifen und mein Bruder ist dabei auch so richtig überreif geworden – man könnte es auch als faul bezeichnen. Wir hatten dann auch die Strukturen, die es uns erlaubten, häufiger in der Schweiz zu spielen. Ein wahnsinniges Glück war, dass unser erster Auftritt damals bei Viktor Giacobbo im Spätprogramm im Fernsehen war. Das war ein guter Auftritt und auch ein Blitzstart.

 

Volker: Es gibt auch viele Veranstaltungsorte, mit denen wir von Herzen verbunden sind. Zum Beispiel das Casinotheater in Winterthur oder das Kleintheater in Luzern. Dort sind Leute, die sehr experimentierfreudig sind, und wir haben ihnen auch einen Grossteil unseres Erfolges zu verdanken.

 

Mittlerweile spielt ihr aber in Luzern meistens in der Schüür.

 

Volker: Das ist so, aber das hat eigentlich technische Gründe. Wenn wir mit «Chaos Royal» im Kleintheater spielen würden, so müssten wir eine stark reduzierte Form anbieten, weil wir das Bühnenbild gar nicht ins Theater bekommen würden. Irgendwann kommt aber bestimmt auch wieder die Zeit für das Kleintheater.

 

Thomas: Wir haben in Luzern auch mal bei Das Zelt gespielt. Wir wechseln ganz gerne die Spielorte, weil so auch immer wieder neue Bevölkerungsgruppen angesprochen werden. Wir spielen gerne mal in feineren Häusern, aber auch an trashigen Orten. Das Zelt ist ja eher etwas bürgerlicher, während die Schüür etwas mehr Szene ist. So schauen wir, dass wir ein breites Spektrum hinkriegen.

 

(Währenddessen entdeckt Thomas, dass die Mandarine, die er geschält hat, angegraut ist.)

 

Thomas: Schau mal! Da ist ein grüner Punkt in der Mandarine. Das ist schon traurig – die böseste Überraschung, die man erleben kann. Da gibt man sich ewig Mühe mit Schälen und dann ist das Fruchtfleisch schon grau. Das ist fast wie wenn man einen ganzen Abend versucht eine Frau abzuschleppen und sie einem dann vor der Wohnungstüre einfach die Türe schliesst.

 

Volker: Oder sie sagt: Ich bin mit deinem Bruder verabredet.

 

Mit «Chaos Royal» seid ihr nun schon eine Weile unterwegs. Habt ihr auch schon ein neues Programm?

 

Thomas: Ja, im neuen Programm spielt nur der Mönch. Wir beide sind praktisch Geiseln des Mönchs und er steht auf der Bühne und wir stören ihn immer.

 

Volker: Der Mönch kommt aber nie zu den Proben, weshalb es sehr schwer werden wird. Was es aber auch wieder einfach macht, da wir eigentlich nie proben.

 

Thomas: Das Ziel des neuen Programms ist, dass es sehr lustig sein wird. Aber es wird ein Soloprogramm von mir sein und ich werde eine Doppelrolle spielen.

 

 

Thomas: Wir könnten jetzt auch nicht in einem Proberaum proben. Wir brauchen aber den Druck, dass Zuschauer kommen. Diese Shows sind «Experimental Shows» und die Leute zahlen dabei auch weniger Eintritt.

 

 

Wenn wir schon von verschiedenen Programmen sprechen – ihr seid teilweise mit mehreren Programmen gleichzeitig unterwegs. Momentan mit drei Programmen.

 

Volker: Als wir jetzt in Berlin waren, haben wir jeden Abend das gleiche Programm gespielt. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, jeden Abend das Gleiche zu machen. Keine Ahnung, wie das andere machen, die am Text hängen und jeden Abend wirklich genau das gleiche reproduzieren, zum Beispiel bei einem technischen Programm, wo die Maschinerie darauf angewiesen ist, dass alles exakt passt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man das durchhält, weil die Gedanken auf der Bühne natürlich auch abschweifen. Mit der Zeit macht das Spielen so auch keinen Spass mehr. Wir waren dann schon froh, als die drei Wochen vorbei waren. So kommt man mal wieder an einem anderen Ort zum Spielen und hat eine gewisse Abwechslung. Deswegen sind diese unterschiedlichen Programme auch eine Art Balsam für uns. Es ist schon immer anstrengend, das Programm zu wechseln, aber wenn man auf der Bühne steht, dann geht es.

 

Wie lange dauert es denn, wenn ihr ein neues Programm plant?

 

Thomas: Wir haben heute auch wieder daran gearbeitet. Wenn man gut gelaunt ist, so hat man irgendwelche Ideen, schreibt die auf und diese Stapeln sich. Irgendwann haben wir dann einen Staudamm an Ideen und das Programm entsteht automatisch.

 

Somit probt ihr die Shows dann auch nicht unbedingt?

 

Volker: Die Entwicklung kann schon sehr anstrengend sein, aber auch sehr produktiv. Die Phase, die mein Bruder angesprochen hat, ist dabei eher die Genussphase, wo es eigentlich nur darum geht, sich Dinge einfallen zu lassen. Danach spielen wir jeweils rund ein halbes Jahr in Häusern, wo wir sonst nicht spielen können und proben vor Publikum.

 

Thomas: Wir könnten jetzt auch nicht in einem Proberaum proben. Wir brauchen aber den Druck, dass Zuschauer kommen. Diese Shows sind «Experimental Shows» und die Leute zahlen dabei auch weniger Eintritt. Dabei spielen wir jeweils vor rund 50 Leuten, irgendwo in der Provinz. Solche Experimental-Shows können manchmal extrem peinlich, aber auch extrem unterhaltsam sein. Das ist immer ein Happening mit schlimmen Momenten und auch wunderbaren Situationen. Für die Leute im Publikum ist das meistens extrem lustig, da es wie eine Fasnachtssitzung oder ein Abend unter Freunden ist. Diese Proben sind zwar schon sehr anstrengend und man lässt dabei viel Energie gehen, aber es ist die Sache auf jeden Fall wert! Unsere Techniker und Requisiteur sind da zwar sehr fit und innovationsfreudig, aber die sehnen sich auch nach solchen Phasen, wie jetzt, wo man ohne grosses Nachdenken die Bühne aufbauen kann.

 

Thomas: Aber auch in Phasen wie jetzt, sagen sie, dass sie sich schon auf diese wilde Zeit freuen.

 

Sind diese Shows auch als Oropax oder macht ihr dies inkognito?

 

Volker: Das sind schon auch Shows als Oropax. Die Termine sind auch auf dem Tourplan mit drauf, aber es wird kommuniziert, dass es ein Happening ist, bei dem etwas entsteht und man noch nicht weiss, was es sein wird. Die erste Phase heisst Experimentelle Shows, bei der wir rund 20 Shows spielen, dann kommen 10-15 Vorpremieren und danach gehen wir mit dem Programm auf Tour. Aber fertig ist das Programm eigentlich nie. Die DVD zu «Chaos Royal» haben wir vor einem Jahr aufgezeichnet und wenn man es heute sieht, so ist das Programm wieder anders. Manche Dinge haben ihre Zeit und je nachdem will man sie nach einem Jahr nicht mehr spielen und so werden diese Sachen auch kürzer oder ersetzt.

 

Thomas: Mit den Experimental-Shows fangen wir im Januar 2016 an.

 

Kommt ihr damit dann auch in die Schweiz?

 

Thomas: Ja, wir werden kommen. Aber eher an Orte, die etwas weg sind von den Hochburgen.

 

Volker: Die Wäkerschwend haben wir zum Beispiel aufgeschrieben als Ort, wo man so etwas machen könnte.

 

Bis es soweit ist, werden Oropax aber noch mit ihrem aktuellen Programm «Chaos Royal» und im Sommer mit «Pool-Position» auf Tour sein.

 

Tourdaten unter www.oropax.de

 

Hansjürg Stämpfli / Do, 05. Mär 2015